Alles was du über Baby-Led Weaning (BLW) wissen solltest…
Der Umstieg von der Still- beziehungsweise Fläschchenzeit zur Aufnahme fester Nahrung ist wohl für jedes Elternteil ein spannendes Thema. Wann beginne ich idealerweise mit der Einführung der Beikost? Gebe ich meinem Baby fertige Gläschen oder koche ich selbst? Wie entscheide ich, was mein Kind wann isst oder überlasse ich die Entscheidungsfreiheit bei der Nahrungsauswahl ganz einfach meinem Kind selbst?
Baby Led Weaning (BLW) – die vom Baby selbst geführte Entwöhnung: Kaum ein anderes Thema im Bereich der Kindererziehung wird zur Zeit so heiß diskutiert, spaltet so sehr die Meinungen. Ein Grund mehr für mich als Mutter, mich einmal intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen.
Hier also einmal die wichtigsten Fakten zu BLW für dich im Überblick:
Woher kommt BLW?
Das Konzept von Baby Led Weaning – in etwa zu übersetzen mit “vom Baby selbst gesteuerte Entwöhnung (von der Brust/dem Fläschchen)” – geht auf die britische Kinderkrankenschwester und dreifache Mutter Gill Rapley zurück, die mehrere Bücher zu diesem Thema veröffentlichte. Obwohl es unter diesem Namen ein sehr junges Konzept ist (Rapley entwickelte ihre Theorien erst im Jahr 2002), ist es eigentlich genau anders herum: Die Idee, sein Baby mit Brei zu füttern, stammt aus dem 17./18. Jahrhundert. Vorher wurden Babies und Kleinkinder grundsätzlich vom Stillen nach und nach an feste Nahrung herangeführt. Baby Led Weaning ist also nicht so ein neuer Trend, wie man vielleicht denkt.
Was genau ist Baby Led Weaning?
Das Konzept basiert im Großen und Ganzen auf einer breifreien Beikosteinführung. Es sieht vor, eurem Baby neben der Muttermilch (oder dem Fläschschen) direkt feste Nahrung anzubieten und so nach und nach die Milchmahlzeiten mit “richtigen” Mahlzeiten zu ersetzen. Baby Led Weaning setzt dabei komplett auf die Neugier und die Offenheit des Babys Neuem und vor allem Nahrung gegenüber. Es soll am Familientisch alles angeboten bekommen, das gesund ist und dann selbst entscheiden, ob, was und wie viel es zu sich nimmt. Gegessen wird selbstbestimmt und mit den Händen.
Wie und wann beginne ich mit BLW?
Es wird empfohlen mit der Einführung der Beikost im Alter von sechs Monaten zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt besteht das Hauptnahrungsmittel des Babys selbstverständlich noch aus Muttermilch oder Pre-Nahrung. Das Baby wird langsam an andere Geschmäcker und Nahrungsmittel herangeführt. Auf gar keinen Fall ersetzt feste Nahrung von einem Tag auf den Anderen die Brust oder das Fläschchen! Beginne also, indem du deinem Baby einfach einmal eine weichgekochte Möhre anbietest. Addiere nach und nach immer mehr Nahrungsmittel zum Speiseplan deines Babys und beobachte, was ihm besonders schmeckt. Mit der Zeit ersetzt du ganz natürlich eine (Milch-) Mahlzeit nach der anderen durch fest Nahrung. Et voilà: Du praktizierst Baby Led Weaning!
Was ist zu beachten?
Wie auch bei der herkömmlichen Einführung der Beikost muss das Baby selbstverständlich die Reifezeichen zeigen, die es benötigt, um sicher mit der Aufnahme alternativer Lebensmittel zu beginnen. Folgende Reifezeichen sollte dein Baby zeigen:
- Es sollte den Kopf dauerhaft selbstständig gerade halten können.
- Es sollte in der Lage sein, selbstständig zu sitzen oder zumindest aufrecht auf dem Schoß oder im Hochstuhl/in der Babywippe sitzen. Die aufrechte Kopfhaltung und der aufrechte Sitz beugen dem Risiko des Verschluckens vor!
- Es sollte den Pinzettengriff beherrschen, um die Nahrung eigenständig anheben und zum Mund führen zu können.
- Es sollte in der Lage sein, koordinierte Bewegungsabläufe zu beherrschen. Dies erkennst du daran, wenn dein Baby eigenständig und gezielt Dinge wie beispielsweise Spielzeug anhebt und zum Mund führt.
- Es sollte Interesse am Essen zeigen, wenn es dich oder andere Familienmitglieder bei den Mahlzeiten beobachtet. Wenn dein Baby hier signalisiert, dass es auch einmal von den Speisen kosten möchte, ist dies das sicherste Zeichen, mit der Beikost zu beginnen.
Was sind die Vorteile:
BLW – Beführworter nennen eine ganze Reihe an Vorteilen, die ich euch an dieser Stelle selbstverständlich auch nicht vorenthalten möchte:
- Die Aufnahme gesunder, natürlicher Lebensmittel: Das Baby nimmt jedes Lebensmittel in seiner (zumindest weitgehend) ursprünglichen Form und Beschaffenheit zu sich und bekommt so die Möglichkeit, verschiedene Geschmäcker und Konsistenzen auszuprobieren. Es lernt direkt, wie eine Möhre schmeckt; wie sie sich anfühlt und wie sie aussieht – und das ungesalzen, ungestampft und unverfälscht durch andere Geschmäcker von beigefügten Kartoffeln, Fleisch oder ähnlichem.
- Die komplette Kontrolle darüber, was das Kind isst: Wer selber kocht, weiß ganz genau, was in dem Lebensmittel enthalten ist und wo es herkommt (dies gilt natürlich auch für selbstgekochte Breis).
- Die Freude am Essen: Natürlich macht es viel mehr Spaß, das Essen selbst auszuwählen, anzufassen, zu begutachten und dann in den Mund zu befördern, als fremdbestimmt einen Löffel Brei nach dem anderen zu konsumieren. Die Freude des Babys am Essen steigt durch Baby Led Weaning enorm – dies kann sich möglicherweise sogar positiv auf das spätere Essverhalten und die Beziehung zum Essen des Kindes auswirken. Das Kind isst bewusster, quasi mit allen Sinnen. Essen wird somit zu einem sinnlichen Erlebnis und nicht nur zur puren Nahrungsaufnahme. Eltern berichten zudem, dass ehemalige Baby Led Weaning Babys später experimentierfreudiger und weniger wählerisch Essen gegenüber waren.
- Weniger Übergewicht: Studien zufolge neigen ehemalige Baby Led Weaning Kinder später weniger zu Übergewicht als ihre Altersgenossen, die mit Brei gefüttert wurden. Dies wird darauf zurückgeführt, dass sie von Anfang an selbst bestimmen konnten, wann sie satt sind und wann genug ist. Die natürliche Appetit-Regulation kann unter dem fremdgesteuerten Füttern leiden, da Eltern ihrem Baby häufig ohne böse Absicht mehr “aufzwängen”, als nötig (wer kennt nicht das berühmte Flugzeug, das das Baby zu noch einem Löffelchen animieren soll?).
- Verbesserung von Koordination und Geschicklichkeit: Baby Led Weaning fördert die Hand-Mund-Koordination und die Geschicklichkeit des Babys enorm! Es lernt früh, Dinge aufzuheben, in der Hand zu halten und gezielt zum Mund zu führen – auch kleinste Nahrungsmittel und solche, die möglicherweise nicht leicht zu fassen sind. Der frühe Umgang hiermit kann auch im Verlauf der Entwicklung zu Vorteilen in der Geschicklichkeit des Kindes führen.
- Eine gesündere Kieferentwicklung: Das frühe regelmäßige Kauen bewirkt beim Kind eine natürlichere Kieferentwicklung, die im besten Fall einer späteren kieferorthopädischen Behandlung vorbeugt. Knochenfunde zeigen, dass Menschen vor dem 17./18. Jahrhundert – also vor der weitreichenden Einführung des Babybreis – weniger Deformationen des Kiefers aufwiesen. Dies wird auch auf das damals noch gängige frühe Erlernen des Kauens durch die frühe Aufnahme fester Nahrung zurückgeführt.
- Das Essen als gemeinsames Ritual: Viele Eltern kennen das: Erst einmal muss das Baby gefüttert werden, dann isst man selbst. Das Gemeinschaftsgefühl, das sonst beim gemeinsamen Essen entsteht, ist dahin. Baby Led Weaning ermöglicht das gemeinsame Essen der ganzen Familie am Familientisch. Dies ist nicht nur für uns Eltern stressfreier und angenehmer. Auch das Baby profitiert vom gemeinsamen Aufnehmen der Mahlzeit. Es fühlt sich als Teil der Gruppe, imitiert seine Eltern oder größeren Geschwister und lernt von ihnen. Auch soziale Fähigkeiten wie das Teilen oder Abwechseln werden am Familientisch ganz nebenbei erlernt.
Was sind die Nachteile:
Richtig gemacht kann beim BLW eigentlich nichts falsch gehen. Es gibt allerdings ein paar Punkte, die es unbedingt zu beachten gibt und andere, die die eine oder andere vielleicht davon abhält, diesen Weg der Beikosteinführung zu wählen.
- Es ist dreckig! Man kann es nicht abstreiten: Baby Led Weaning ist eine dreckige Angelegenheit. Das Essen landet vor allem am Anfang meist überall, nur nicht im Mund des Babys. Ihr solltet euch deshalb darüber im Klaren sein und entsprechende Vorkehrungen treffen. Bodys, Lätzchen und Tücher müssen häufiger gewechselt und gewaschen werden, weiße Wände eventuell überstrichen, der gute Teppich unterm Esstisch wird vermutlich leiden und auch der teure Eichentisch sollte lieber mit einer Tischdecke bedeckt sein. Wen das häufigere Putzen im Austausch gegen eine gesunde, natürliche Beikosteinführung nicht stört, der lässt sich hiervon allerdings nicht abschrecken.
- Es muss genau darauf geachtet werden, was das Baby für eine gesunde Entwicklung gerade benötigt. Gläschen füttern ist einfach: Gläschen auf, warm machen, Löffel rein und fertig. Hier muss man als Elternteil keinen Gedanken daran verschwenden, welche Art von Obst, Gemüse, Fleisch oder Fisch das Kind in welchem Lebensalter benötigt oder verträgt. Die Gläschen sind hierzu extra beschriftet. Beim Baby Led Weaning bedarf es eine tiefergehende Auseinandersetzung damit, welche Nahrungsmittel zu welchem Zeitpunkt in der Entwicklung und in der Beikosteinführung für das Baby gesund, wichtig oder nicht geeignet sind. Milchprodukte oder Hülsenfrüchte beispielsweise eignen sich nicht für den Beikoststart. Allerdings ist auch dies kein Problem, wenn man sich wirklich mit dem Thema beschäftigt. Mittlerweile gibt es eine große Auswahl an Baby Led Weaning Kochbüchern auf dem Markt, die in jeder Einzelheit darüber informieren, welche Lebensmittel gut für dein Baby sind und wovon du vorerst die Finger lassen solltest. Außerdem bieten diese Kochbücher eine Vielzahl an gesunden Rezeptideen für unsere kleinen Feinschmecker und für die ganze Familie.
- Der Übergang vom Stillen/Fläschen zu fester Nahrung dauert eventuell länger als bei der Beikosteinführung mit Hilfe von Brei. Beim Baby Led Weaning bestimmt das Baby selbst was es ist und wie viel. Klar, dass hier eventuell zu wenig (Nährstoffe) beim Kind landen, als erwünscht. Es ist deshalb ungemein wichtig, dass weiterhin Muttermilch oder Pre-Nahrung zugefüttert wird, um das Baby vollkommen zu sättigen und ihm alle Nährstoffe zu geben, die es benötigt. Denn von Nudeln allein beispielsweise wird das Baby eventuell satt, bekommt aber nicht die nötigen Vitamine. Eine Baby Led Weaning Mahlzeit ersetzt deshalb erst dann eine Milchmahlzeit, wenn das Baby wirklich die empfohlene Menge an gesunder Nahrung zu sich nimmt und nicht nur damit spielt.
- Baby Led Weaning Mahlzeiten benötigen Zeit! Mal eben schnell füttern funktioniert bei diesem Konzept nicht. Baby Led Weaning bedeutet auch, die Mahlzeiten und die Nahrungsaufnahme zu zelebrieren und für das Baby mit Spaß zu verbinden. Babys kennen keinen Zeitdruck und lassen sich deshalb beim Essen auch so viel Zeit, wie sie möchten. Ihr solltet deshalb beachten, dass auch ihr als Eltern die nötige Ruhe für Baby Led Weaning habt.
Wie auch bei der herkömmlichen Art der Beikosteinführung solltet ihr diese sensible Phase selbstverständlich immer von eurer Hebamme oder dem Kinderarzt begleiten lassen. Klärt vorab eventuelle Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien ab und achtet darauf, dass euer Baby eine gesunde (Wachstums-) Entwicklung zeigt. Besonders die Eisenwerte eurer Kleinen sollten bei dieser Art der Beikosteinführung im Auge behalten werden.
Und zu guter Letzt: Stresst euch und euer Baby nicht! Setzt euch und euer Baby nicht zu sehr unter Druck! Begegnet dieser spannenden Phase im Leben eures Kindes mit Spaß und Offenheit. Wenn es nicht sofort klappen will, gebt eurem Schatz noch etwas mehr Zeit und probiert es eine Woche später noch einmal. Jedes Kind wird irgendwann an den Punkt kommen, an dem es Essen möchte. Macht euch also keine Gedanken, wenn etwas nicht ganz so läuft, wie ihr es euch wünscht oder geplant habt. Das wird schon! Und sollte euer Kind dann doch Brei bevorzugen, ist das auch vollkommen in Ordnung! Es geht hier ja nicht darum, dass alles perfekt sein muss, sondern darum, es so gut wie möglich für euer Baby zu machen, um bei ihm die Lust und den Spaß am Essen zu wecken.
Literaturempfehlung
Baby-led Weaning bietet viele Facetten und gerade für frischgebackene Eltern ist das ganze Thema Babyernährung komplettes Neuland. Das kann in einem Blogartikel gar nicht umfassend beleuchtet werden. Daher empfehlen wir unseren Leserinnen dieses BLW Grundlagenbuch, in dem alle relevanten Informationen übersichtlich und kompakt aufgearbeitet sind. Zudem gibt es viele Ideen BLW Rezepte, die schnell und unkompliziert umgesetzt werden könnnen.
Wir wünschen viel Spaß beim Nachkochen!